Dienstag, 15. Januar 2013

Dissidenten-Schicksale nach dem Umschwung



Dissidenten-Schicksale nach dem Umschwung



Das Schöne am Idealismus ist die Tatsache, dass Menschen, die von idealistischen Werten wie Freiheit, Gerechtigkeit, Wahrheit, Schönheit und Humanität durchdrungen sind, ein Leben lang Idealisten bleiben - auch wenn die Zeiten sich ändern.

Mircea Dinescu, Ana Blandiana, Doina Cornea und viele andere Bürgerrechtler und Dissidenten blieben bis heute ihren Überzeugungen treu und fahren auch heute noch fort, an der Umsetzung demokratischer Strukturen in Rumänien zu arbeiten. Ana Blandiana, heute europaweit eine anerkannte und vielgefragte Persönlichkeit des kulturellen wie politischen Lebens, ließ sich von den politischen Vereinahmungsversuchen nicht korrumpieren. Sie macht weiter und wirkt von der Gedenkstätte Sighet aus - nicht anders als Doina Cornea, die ebenfalls an ihrem aufklärerischen Weg festhält.

Auch Mircea Dinescu hat die Zeichen der Zeit erkannt. Er hat sich auf die kapitalistischen Umwandlungsprozesse eingestellt, indem er ein großes Gut erwarb und sich dadurch die wirtschaftliche Unabhängigkeit - und somit die geistige Freiheit sicherte. Heute ist er noch genau so mutig wie damals und setzt sich, ungeachtet mancher Desillusion und Anfeindung, für die Offenlegung der Geheimdienstakten und die Rehabilitierung der Opfer ein. Sein kritisches Wort hat immer noch Gewicht in der rumänischen Gesellschaft, obwohl manche Kräfte daran interessiert sind, ihn weiter zu diffamieren und zu diskreditieren, um ihn mürbe zu machen und ihn zum Rückzug aus der moralischen Verantwortung zu bewegen.

Er ist und bleibt ein gesellschaftskritischer Zeitgenosse mit Interesse an der Politik, obwohl ihn seine Landsleute bei der ersten annähernd demokratischen Wahl im Jahr 1990 weder zum Parlamentarier wählten, noch zum Minister machten. Polen und Tschechen hatten anders reagiert, als sie den Symbolfiguren der Freiheit die Geschicke ihren Staaten anvertrauten. Dinescu nahm es lässig hin und aktivierte dafür erfolgreich und zum Verdruss vieler belasteter Ex-Securitate-und Parteibonzen in der Gauck-Behörde Rumäniens CNSAS. Selbst heute noch, nach Jahren weiterer Enttäuschungen auf dem Weg des Landes zu mehr Demokratie und Freiheit, bekennt Dinescu offen, was er denkt, gerade in der öffentlichen Auseinandersetzung mit alten Demagogen aus der Zeit der Diktatur, wenn auch sarkastischer und zynischer als einst.

Um den Ceauşescu-Lobhudlern von gestern, die sich alle eigene Presseorgane zulegten, um ihre Demagogie in eigener Sache möglichst effizient entfalten zu können, sprich: die fortgesetzte Volksverdummung mit anderen Mitteln, nicht ganz das Feld zu überlassen, gründete Dinescu - vom ehemaligen Präsidenten Iliescu als Gutsbesitzer diffamiert - eigene Blätter und greift darin gezielt in die politische Diskussion ein. Mit den mutigen Dichterinnen und Schriftstellerinnen Blandiana und Cornea bleibt er auch jetzt, im Jahr 2008, nach dem offiziellen Beitritt Rumäniens zur Europäischen Union, ein Gewissen seiner Nation.




Auszug aus: Carl Gibson,

Symphonie der Freiheit
Widerstand gegen die Ceauşescu-Diktatur


Chronik und Testimonium einer Menschenrechtsbewegung

in autobiographischen Skizzen, Essays, Bekenntnissen und Reflexionen,

Dettelbach 2008, 418 Seiten -

Leseprobe


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