Montag, 14. Januar 2013

Freiheit und künstlerische Selbstbehauptung: Ana Blandiana und Doina Cornea


Freiheit und künstlerische Selbstbehauptung: Ana Blandiana und Doina Cornea 



Dissidenz und literarische Produktion waren kaum noch von einander zu trennen. Bis in den Westen drangen jedoch nur wenige Namen durch; Ana Blandiana ist einer von ihnen.

Die 1982 mit dem Herder-Preis geehrte Dichterin wurde einem größeren Publikum bekannt, als eines ihrer satirischen Poeme, das Ceauşescu als Kater Arpagic karikiert, nahezu in alle großen Sprachen des Westens übersetzt wurde. Mit ihren pamphletartigen Travestien wagte sie es als eine der wenigen, den Diktator persönlich herauszufordern und seinen Schergen vom allmächtigen Sicherheitsdienst zu trotzen.

Ana Blandiana, die Tochter eines so genannten Volksfeindes, den man für viele Jahre in stalinistische Kerker geworfen hatte, wurde unter dem bürgerlichen Namen Otilia Valeria Coman in Temeschburg geboren. Ihr Pseudonym geht auf den Ort Blandiana zurück, wo ihre Mutter herstammte. Von sich selbst sagte die Dichterin, der es trotz massiver Diskriminierung gelang, ein bedeutendes poetisches Oeuvre zu schaffen, sie sei bereits als verbotene Dichterin bekannt gewesen, noch bevor man sie als eigentliche Dichterin kannte.

Nachdem sie 1988 mit einem Publikationsverbot belegt worden war, gelang es ihr erst nach der Revolution auch als Bürgerrechtlerin zu wirken. Sie übernahm die Präsidentschaft der Akademie für bürgerliche Freiheiten und leitet auch heute noch das Memorial Sighet - eine Gedenkstätte, die als ehemaliges Gefängnis für Gesinnungshäftlinge an die Opfer des Stalinismus und Kommunismus in Rumänien erinnert und heute als Ort der Begegnung und politischen Bildung dient.

BeiDoina Cornea, einer Philologieassistentin an der Universität Klausenburg, standen von Anfang an Dissidenz und antikommunistische Opposition im Vordergrund. Ihre gesellschaftskritischen Schriften verbreitete sie ab 1980 als Samisdat, als kleine, selbst gefertigte Heftchen und Büchlein mit originellen Ideen und ethischen Anregungen, die sie unter Freunden verteilte und die dann weiter kursierten - bis in die Finger der Sicherheit. Als Radio Freies Europa 1982 beim Ausstrahlen einer ihrer kritischen Stellungnahmen versehentlich ihren richtigen Namen nannte, in der Annahme es sei ein Pseudonym, begann für die damals Fünfzigjährige ein Leben der Verfolgung, Stigmatisierung und vielfacher Leiden.

Während unsere Klage gegen das totalitäre Regime in Bukarest gerade ihren Lauf nahm und in der Hauptstadt minutiös analysiert wurde, um dann zynisch beantwortet zu werden, wurde Doina Cornea systematisch verfolgt, arg schikaniert und praktisch bis zum Sturz des Diktators unter Hausarrest gestellt. Nur gelegentlich gelang es ihr die Isolation zu durchbrechen, um sich dann, wie 1987 beim Aufruhr von Kronstadt, zusammen mit ihrem Sohn auch physisch in die Schlacht zu werfen. Als in den Tagen revolutionärer Auseinandersetzung in Klausenburg die Kugeln auf die Straßen prasselten, war sie ebenfalls mittendrin. Während ihrer strammen Dissidenz wurde die Französischassistentin, die de Gaulle bewunderte und Frankreich sehr verbunden war, von der Französischen Botschaft in Bukarest, mit der sie wöchentlich kommunizierte, förmlich beschützt. Der heute noch im Internet abrufbare Bericht Rumänien: Dossier 666, den Mirel Bran in Le Monde veröffentlichte, fängt ihre Odyssee, deren Dimension erst nach der Öffnung der Akte deutlich wurde, treffend ein.

Doina Corneas Fall ist symptomatisch. Er ist ein gutes Beispiel dafür, wie aus einem bewussten Staatsbürger, der sich kritisch mit seinem Umfeld und dem politischen Regime auseinander setzt und an dieser Haltung konsequent Jahre hindurch festhält, ein Dissident und Bürgerrechtler wird.

Dank ihrer Initiativen entstand nach der Revolution das Antitotalitäre Demokratische Forum und andere Organisationen der Kultur und des sozialen Dialogs, die einzelne Strömungen der Opposition zur Demokratischen Konvention Rumänienszusammen führten. Doina Cornea legte neben unzähligen journalistischen Beiträgen auch einige Buchveröffentlichungen vor, unter anderen das 1990 in Paris und Bukarest edierte Werk Freiheit?

Orthodoxe Kirche in Cotroceni, Bukarest



Auszug aus: Carl Gibson,

Symphonie der Freiheit

Widerstand gegen die Ceauşescu-Diktatur



Chronik und Testimonium einer Menschenrechtsbewegung

in autobiographischen Skizzen, Essays, Bekenntnissen und Reflexionen,

Dettelbach 2008, 418 Seiten, Leseprobe

 
Foto: Carl Gibson

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen